„Sie kommen aus dem Home-Office zurück ins Büro!“ – Darf der Chef das einseitig anordnen?

Amazon, SAP, VW: Immer mehr Arbeitgeber fahren das mobile Arbeiten zurück. Nachdem das Arbeiten zuhause in den eigenen vier Wänden während der Corona-Pandemie in vielen Betrieben die Regel war, wünschen sich viele Arbeitgeber mittlerweile wieder eine stärkere Präsenz ihrer Beschäftigten im Betrieb. Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von leichter zu treffenden Absprachen und produktiveren Arbeitsbesprechungen über eine Stärkung des Teamgeistes bis hin zu besseren Kontrollmöglichkeiten. Vielerorts haben sich daher Modelle hybriden Arbeitens durchgesetzt: Ein Teil der Arbeitsleistung wird im Betrieb und der andere Teil außerhalb des Betriebes, zum Beispiel im Home-Office, erbracht.

Doch wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Darf der Arbeitgeber einseitig eine stärkere Präsenz im Betrieb anordnen?
Dafür zunächst ein Blick auf das Grundsätzliche: Die Frage, ob im Betrieb überhaupt mobil gearbeitet wird, entscheidet der Arbeitgeber allein. Wenn er diese Grundsatzentscheidung einmal getroffen und bejaht hat, geht es um die Ausgestaltung des mobilen Arbeitens, also die Frage, wie denn genau mobil gearbeitet wird. Und hier ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG in der vollen Mitbestimmung. Dazu ausführlich: Aus dem Home-Office zurück ins Büro: Welche Rechte hat der Betriebsrat?

Nur im Rahmen der mit dem BR festgelegten Regelungen kann der Arbeitgeber schalten und walten. Trifft er einseitig strengere Regelungen für das Arbeiten in Präsenz, die durch die Betriebsvereinbarung (BV) nicht gedeckt sind, verstößt er gegen das Betriebsverfassungsgesetz. In so einem Fall kann der Betriebsrat sogar eine einstweilige Verfügung vorm Arbeitsgericht erwirken.

Aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung
In einem Betrieb besteht eine BV zum mobilen Arbeiten. Darin ist festgelegt, dass mobiles Arbeiten grundsätzlich im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten ermöglicht werden soll. Die Abteilungsleiter prüfen und genehmigen die Anträge der Beschäftigten auf mobiles Arbeiten.

Nachträglich legte der Personalleiter in einem Schreiben an die Führungskräfte einen Präsenz-Vorrang fest, und verfügte, das mobile Arbeiten auf einen Tag pro Woche zu begrenzen. Jeder weitere Tag bedürfe einer besonderen Begründung. Der BR sah einen Verstoß gegen die ausgehandelte BV und eine Verletzung seiner Rechte und zog vor Gericht. Das LAG Berlin-Brandenburg gab dem Betriebsrat recht und betonte in seiner Entscheidung, dass die in einer BV getroffenen Regelungen zur Ausgestaltung mobiler Arbeit niemals ohne Abstimmung mit dem BR geändert werden dürfen. (LAG Berlin-Brandenburg, 30.01.2024, 8 TaBV 748/23)

Ein ähnlicher Fall:
Eine Arbeitgeberin hatte ihre Beschäftigten während der Corona-Pandemie empfohlen, zu Hause zu arbeiten und entsprechende Regelungen mit dem Betriebsrat getroffen. Im Frühjahr 2023 verhandelte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat über eine stärkere Präsenz der Beschäftigten im Betrieb – ohne Ergebnis. Statt den korrekten Weg zu beschreiten und die Einigungsstelle anzurufen, ordnete die Arbeitgeberin einseitig gegenüber den betroffenen Beschäftigten monatlich vier Präsenztage und eine zusätzliche Präsenz bei bestimmten betrieblichen Gründen an.

Das LAG München kassierte die Entscheidung per einstweiliger Verfügung, weil die Regelung nicht durch die bestehende BV gedeckt war und ohne Beteiligung des BR getroffen wurde. (LAG München, 10.08.2023, 8 TaBVGa 6/23)

Aber wie ist die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber mobiles Arbeiten komplett abschaffen will?
Dies ist ein andersgelagerter Fall. Wenn der Arbeitgeber mobiles Arbeiten vollständig beendet und wieder die volle Präsenzpflicht im Betrieb anordnet, geht es nicht mehr um die Ausgestaltung mobiler Arbeit nach § 87 Abs. Nr. 14 BetrVG. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Ob, also erneut eine Grundsatzentscheidung, ob im Betrieb überhaupt mobil gearbeitet wird. Ob der Arbeitgeber sie einseitig im Rahmen seines Direktionsrechts verfügen kann, lässt sich dennoch nicht pauschal beantworten. Hier ist u. a. zu prüfen, ob Regelungen im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag einer solchen Weisung entgegenstehen. Einen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten gibt es trotz eines entsprechenden Vorstoßes von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bisher nicht.

Auch in dieser Situation ist der Betriebsrat ist nicht machtlos: Er kann im Rahmen anderer Beteiligungsrechte, mit wirksamer Öffentlichkeitsarbeit und mit guten Argumenten gegensteuern. Hier einige Beispiele:

  • In Zeiten des Fachkräftemangels haben viele Betriebe enorme Schwierigkeiten, gut qualifiziertes und engagiertes Personal zu finden. Da ist es wichtig, attraktive Arbeitsbedingungen und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern zu schaffen. Ein solcher Pluspunkt kann ortsflexibles Arbeiten sein und Bewerber überzeugen, diesem Betrieb den Zuschlag zu geben.
  • Für viele Beschäftigte spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine immer wichtigere Rolle. Mobiles Arbeiten kann hier ein großer Vorteil sein und dazu beitragen, Beschäftigte mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen im Unternehmen zu halten.
  • Die Aufgabe mobilen Arbeitens stellt für die betroffenen Beschäftigten üblicherweise eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG dar. Dieser kann der Betriebsrat nach den Kriterien des § 99 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung verweigern, wenn die Entscheidung des Arbeitgebers willkürlich getroffen wurde. Dazu ausführlicher: Aus dem Home-Office zurück ins Büro: Welche Rechte hat der Betriebsrat?
  • Für viele Betriebe bedeutet mobiles Arbeiten eine immense Kostenersparnis: Wenn nicht mehr für jede/n Büro-Mitarbeiter*in ein eigener Schreibtisch bereitgestellt werden muss, sondern Desksharing-Modelle geschaffen werden, die in ihrer Ausgestaltung wiederum der Mitbestimmung des BR nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen, kann die Bürofläche deutlich verkleinert werden.
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