Das Arbeitsgericht Lüneburg hat einem entsprechenden Antrag einer Arbeitgeberin stattgegeben. Diese begründete den Antrag auf außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden mit Arbeitszeitbetrug und Vertrauensbruch (unten ausführlicher dargestellt).
Das Gericht folgte dieser Argumentation. Es sah einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen seitens des BR-Vorsitzenden und stellte damit klar, dass das eigenmächtige Fortbleiben vom Seminar kein Kavaliersdelikt ist. Das Gericht betonte, dass Seminarzeiten wie Arbeitszeiten zu betrachten sind. Denn schließlich müsse die Arbeitgeberin nicht nur die Kosten des Seminars inkl. Übernachtung, Verpflegung und Reisekosten übernehmen, sondern das Betriebsratsmitglied für die Zeit der Schulungsmaßnahme von der Arbeit freistellen und das Entgelt fortzahlen (§ 37 Abs. 6 in Verbindung mit § 40 BetrVG).
Profis Tipp: Deshalb immer korrekt abmelden!
Es kann immer vorkommen, dass du zum Beispiel wegen eines familiären Notfalls vorzeitig vom Seminar abreisen musst. In so einem Fall ist es wichtig, dass du dich ordnungsgemäß beim Arbeitgeber abmeldest. Dann bist du auf der sicheren Seite und riskierst keine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund.
Der konkrete Fall
Der Betriebsratsvorsitzende eines Logistikunternehmens in Winsen/Luhe mit 1.900 Beschäftigten reiste zusammen mit drei weiteren BR-Mitgliedern vom 8. bis zum 10. November zum Deutschen Betriebsrätetag nach Bonn. Der Besuch einer solchen Tagung wird genauso wie ein Seminar nach § 37 Abs. 6 BetrVG behandelt: Die Arbeitgeberin trägt alle Kosten inklusive des fortgezahlten Entgelts.
Die Arbeitgeberin warf dem BR-Vorsitzenden im Anschluss vor, lediglich am ersten Tag, also am 8. November, an der Veranstaltung teilgenommen zu haben und fortan eigenmächtig der Tagung ferngeblieben zu sein.
Der BR-Vorsitzende hatte in einem Arbeitszeitnachweis angegeben, am 9. November von 13 bis 16 Uhr und von 19 bis 22 Uhr Betriebsratsarbeit geleistet zu haben.
Als ihn die Arbeitgeberin mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs konfrontierte, räumte der Betriebsratsvorsitzende ein, zwar aus privaten Gründen nach Düsseldorf gefahren zu sein, aber „anderweitige Betriebsratstätigkeiten“ ausgeübt zu haben.
Die Arbeitgeberin wandte sich daraufhin mit dem Begehren einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB an den Betriebsrat. Dieser verweigerte seine Zustimmung nach § 103 Abs. 1 BetrVG. Daraufhin stellte die Arbeitgeberin nach § 103 Abs. 2 BetrVG beim zuständigen Arbeitsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Es wertete bereits das eigenmächtige Fernbleiben von der Tagung als schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten. Außerdem sah es einen „dringenden Verdacht“, dass der BR-Vorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht habe.
Beides zusammengenommen – Arbeitszeitbetrug und versuchte Täuschung des Arbeitgebers – waren laut Gericht geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zu erschüttern: Ein solches Verhalten rechtfertige eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund.
Pressemitteilung des ArbG Lüneburg: https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/arbeitsgericht-luneburg-ersetzt-zustimmung-zur-ausserordentlichen-kundigung-des-betriebsratsvorsitzenden-des-amazon-logistikzentrums-winsen-luhe-221269.html