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Grundsatzurteil des BAG: Frauen haben Anspruch auf den gleichen Lohn!

Eine Frau hat bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf dasselbe Entgelt wie ihr männlicher Kollege. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern in einem Grundsatzurteil bekräftigt.

Eine Selbstverständlichkeit? Mitnichten: Das höchste deutsche Arbeitsgericht verhandelte den Fall einer Frau aus Sachsen, die mit ihrer Klage zuvor vorm Arbeitsgericht Dresden und dem Sächsischen Landesarbeitsgericht in Chemnitz gescheitert war.

Die Klägerin, Susanne Dumas, verdiente über Monate zwischen 500 und 1000 Euro weniger als ein männlicher Kollege, der nur zwei Monate vor ihr eingestellt worden war. Auch die Einführung eines Haustarifvertrags brachte keine Abhilfe (unten ausführlicher dargestellt).

Marsch durch die Instanzen

Susanne Dumas wehrte sich daher gerichtlich gegen die ungerechte Bezahlung. Doch sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Sächsische LAG schmetterten die Klage ab. Das LAG Sachsen führte aus, dass die Ungleichbehandlung „objektiv im Sinne der Mitarbeitergewinnung gerechtfertigt“ gewesen sei. Die Stelle des männlichen Kollegen P. habe wegen des bevorstehenden Ruhestandes seiner Vorgängerin zügig besetzt werden müssen und Herr P. sei nur mit dem höheren Entgelt bereit gewesen, die Stelle anzutreten. Die ungleiche Bezahlung habe mit dem Geschlecht nichts zu tun.

Auch eine spätere Gehaltserhöhung hielt das LAG für „objektiv angemessen“. Er sei schließlich zum „Leiter Vertrieb Bahntechnik“ ernannt worden. Susanne Dumas war zur selben Zeit als „Leiterin Bereich Verkehrswege“ tätig – für das Gericht anscheinend keine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit der beiden Außendienstler.

BAG sah Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte zog Susanne Dumas vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses kam zu einem ganz anderen Urteil.

Das BAG sah einen Verstoß gegen § 20 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Demnach muss für eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegen. Einen solchen konnte das Gericht aber nicht erkennen. Laut BAG konnte die Arbeitgeberin nicht die Vermutung widerlegen, dass die Benachteiligung einzig und allein aufgrund des Geschlechtes erfolgt ist.

Das BAG sprach Susanne Dumas deshalb 14.500 Euro entgangenen Lohn und zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von 2000 Euro zu. 

Benachteiligung von Frauen bei der Bezahlung immer noch ein großes Thema

In Deutschland werden Frauen nach wie vor deutlich schlechter als Männer bezahlt: Nach brandaktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamts lag der so genannte Gender-Pay-Gap 2022 bei 18 Prozent. Männer bekommen durchschnittlich 24,36 Euro die Stunde, Frauen aber nur 20,05 Euro.

Der Hauptgrund: Frauen arbeiten oft in schlechter bezahlten Berufen und sind häufiger in Teilzeit beschäftigt. Dadurch ist der berufliche Aufstieg deutlich schwieriger.

Doch auch der bereinigte Gender-Pay-Gap ist alarmierend, der das Entgelt bei gleicher Tätigkeit betrachtet: Frauen bekommen für gleiche oder gleichwertige Arbeit immer noch sieben Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen.

Deshalb war Susanne Dumas über ihren gestrigen Erfolg hocherfreut: „Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Seid mutig und laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen.“

Finanzielle Ungleichbehandlung – was kann der Betriebsrat tun?

Zunächst hat der Betriebsrat die Möglichkeit, über sein Einblickrecht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten nach § 80 BetrVG zu prüfen, ob Frauen und Männer im Betrieb bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit gleich entlohnt werden. Stellt er eine Ungleichbehandlung fest, kann er den Arbeitgeber im Zuge seiner Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf den Missstand hinweisen.

Wenn sich Frauen oder Männer mit dem Verdacht an den Betriebsrat wenden, nur aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt zu werden, kann er außerdem ein Auskunftsverfahren nach dem Entgelttransparenzgesetz auf den Weg bringen: Der Arbeitgeber muss für die/den betroffene*n Mitarbeiter*in offenlegen, welches Entgelt ihren Kolleg*innen des anderen Geschlechts gezahlt wird.

Wenn sich der Verdacht bestätigt, können sich die betroffenen Beschäftigten gegen die Ungleichbehandlung wehren – notfalls auch mit einem individualrechtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht.

Der Haken des Entgelttransparenzgesetzes: Das Gesetz greift erst in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Außerdem muss es mindestens sechs Vergleichspersonen des anderen Geschlechts geben, die die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben.

Auch im vorliegenden Fall fand es keine Anwendung: Es gab nur 180 Beschäftigte und davon lediglich drei im Außendienst. Susanne Dumas erfuhr auf anderen Wegen von der finanziellen Ungleichbehandlung.

Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn - die Einzelheiten zum Fall der Susanne Dumas

Susanne Dumas wurde zum 1. März 2017 als Außendienstmitarbeiterin in der Photon Meissener Technologies mit einem Grundentgelt von 3500 Euro eingestellt. Sie wurde damit Mitglied eines dreiköpfigen Teams, dem noch zwei männliche Kollegen angehörten. Einer der beiden, Herr P., war erst kurz zuvor, am 1. Januar, eingestellt worden. Auch ihm war ein Grundentgelt von 3500 Euro angeboten worden. Herr P. lehnte das Angebot jedoch ab und schloss einen Kompromiss mit der Arbeitgeberin: Sie zahlte ihm die ersten zehn Monate ein Grundentgelt von 4500 Euro. Danach bekam er für acht Monate, bis Juni 2018, dasselbe Entgelt wie die Klägerin. Nach dieser kurzen Zeit erhielt er eine Lohnerhöhung in Höhe von 500 Euro. Seine Kollegin ging leer aus.

Zum 1. August trat ein Haustarifvertrag in Kraft. Susanne Dumas und ihr männlicher Kollege wurden – nach einer Beschwerde Dumas‘, die zunächst niedriger eingruppiert werden sollte – in dieselbe Entgeltgruppe eingestuft. Diese sah ein Grundentgelt von 4140 Euro vor. Doch die Ungleichheit blieb: Susanne Dumas erhielt fortan lediglich 3620 Euro, Herrn P. wurden 4120 Euro gezahlt. Der Grund: Der Tarifvertrag beinhaltete eine Deckelungsregelung: „Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/brutto in den Jahren 2018 bis 2020.“ Herr P. hatte seine Gehaltserhöhung bereits vor Inkrafttreten des Tarifvertrags ausgehandelt. Somit blieb er nur 20 Euro unter dem tarifvertraglichen Grundentgelt, während Susanne Dumas auf 520 Euro verzichten musste.

Link zur Pressemitteilung des BAG

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/entgeltgleichheit-von-maennern-und-frauen/

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